WELTGo!
Journalismus neu erleben und produktiver werden
Ihr Assistent Journalismus neu erleben und produktiver werden
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Wirtschaft
  3. Fachkräftemangel: Deutschland fehlen Lokführer und Klempner

Wirtschaft Fachkräftemangel

Deutschland fehlen Lokführer und Klempner

In vielen Bereichen sind freie Stellen äußerst schwer zu besetzen In vielen Bereichen sind freie Stellen äußerst schwer zu besetzen
In vielen Bereichen sind freie Stellen äußerst schwer zu besetzen
Quelle: Infografik Die Welt
Die Arbeitsagenturen schlagen Alarm: Neben Ingenieuren, Ärzten und Pflegern herrscht auch in anderen Bereichen extremer Mangel. Manches Unternehmen könnte deshalb sogar das Land verlassen.

Worum geht es

Mehr anzeigen

Der Fachkräftemangel in Deutschland hat sich nach Zahlen der Bundesagentur für Arbeit (BA) weiter verschärft. Danach fehlten zum Jahresende vor allem Ingenieure, IT-Experten, Ärzte sowie Alten- und Krankenpfleger.

Erstmals tauchen in der Liste auch drei technische Berufe ohne Universitätsabschluss auf: Spezialisten im Bereich Energietechnik, im Bereich Klempnerei, Sanitär, Heizung und Klimatechnik sowie Lokomotivführer. Vor allem im Westen werden sie von den Unternehmen gesucht.

Einen flächendeckenden Fachkräftemangel gebe es zwar nicht, betonte der zuständige BA-Vorstand Raimund Becker. „Es gibt aber Warnsignale.“ In einzelnen Branchen hätten sich die bereits existierenden Mangelsituationen weiter verstärkt. Zudem seien weitere Berufe hinzugekommen, bei denen sich klare Engpass-Situationen abzeichneten.

Stellen sind schwer zu besetzen

Von Fachkräftemangel spricht die Bundesagentur, wenn die Vakanzzeit in einem Beruf mindestens um 40 Prozent über dem Durchschnitt aller Berufe liegt. Diese beträgt derzeit 80 Tage. Bei der Engpassanalyse wird aber auch das Verhältnis von Arbeitslosen zu unbesetzten Stellen betrachtet.

Die Ergebnisse der aktuellen Analyse würden stark geprägt von der guten wirtschaftlichen Entwicklung der letzten zwölf Monate, heißt es in dem Bericht. Wie sich die aktuell moderate wirtschaftliche Gangart auf die Engpasssituationen auswirken wird, bleibe abzuwarten.

Die Analysen der Bundesagentur spielen auch eine Rolle in der Zuwanderungspolitik der Bundesregierung. In der Vergangenheit hatte die Koalition die sogenannte Vorrangprüfung in Mangelberufen wie Ärzten oder für Ingenieure bestimmter Fachrichtungen abgeschafft. Die Arbeitsagenturen prüfen jetzt nicht länger, ob eine freie Stelle in diesen Berufen nicht doch durch einen Arbeitslosen aus Deutschland oder der Europäischen Union besetzt werden könnte.

Großer Mangel bei Lokomotivführern

An der Spitze der Mangelberufe steht nach der aktuellen Auswertung der Lokomotivführer. Die Stellen für einen Fahrzeugführer im Eisenbahnverkehr bleiben 184 Tage unbesetzt und damit um 126 Prozent länger als im Schnitt. Die Vakanzzeit ist damit so hoch wie in keiner anderen Berufsgruppe, heißt es in der Analyse der BA. Auf Platz zwei der längsten Besetzungszeiten stehen die Mediziner, die auf 174 Vakanztage kommen.

Die Gewerkschaft der Lokführer GDL spricht von 800 fehlenden Fahrzeugführern in Deutschland – bei rund 27.000 Lokführern insgesamt. Die Bahnbranche boomt: Bis zum Jahr 2025 soll allein der Gütertransport um 50 Prozent wachsen. Hinzu kommt, dass in den nächsten Jahren altersbedingt viele Beschäftigte bei der Bahn ausscheiden.

Eine schnelle Entspannung erwartet Gewerkschaftschef Claus Weselsky daher nicht. „Die aktuelle Ausbildungszahl von Lokführern ist nicht groß genug, um die demografisch bedingten Abgänge in den nächsten Jahren zu kompensieren.“

Lücke gefährdet das Wirtschaftswachstum

Anzeige

Darüber hinaus fehlen hoch qualifizierte Kräfte in der Maschinen- und Fahrzeugtechnik, im Bereich Mechatronik, Energie und Elektro sowie in der Informatik. Mittelfristig könnten die stark gestiegenen Studierendenzahlen zur Entspannung der Engpasssituationen beitragen, machen die BA-Statistiker Hoffnung.

Tatsächlich sind die Studentenzahlen in den sogenannten MINT-Fächern seit 2005 um 60 Prozent gestiegen. Nach Angaben des Instituts der deutschen Wirtschaft fehlen aber derzeit 120.000 Fachkräfte aus den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT) in Deutschland.

Die Akademiker-Lücke gefährde das Wirtschaftswachstum in Deutschland, warnt das Institut. Denn vor allem kleinere und mittlere Unternehmen fänden keine qualifizierten Mitarbeiter, könnten Aufträge nicht annehmen und Projekte nicht durchführen.

Ganze Werke könnten verlegt werden

Auch den deutschen Exporteuren treibt der Mangel an ausreichend qualifizierten Arbeitnehmern Sorgenfalten auf die Stirn. „Wir haben noch gar nicht richtig verstanden, was der Fachkräftemangel für die deutsche Wirtschaft bedeutet“, sagt Anton Börner, der Präsident des Außenhandelsverbands BGA.

Die langfristigen Folgen würden immer noch unterschätzt. In einigen Jahren könnten Unternehmen gezwungen sein, Standorte und Stellen aus Deutschland abzuziehen, weil sie hierzulande kein ausreichend qualifiziertes Personal mehr fänden. Der Fachkräftemangel sei eine der größten Gefahren für die Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft.

„Die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands gerät unter Beschuss“, sagt Börner. Neben der Energiewende, der Schuldenkrise und neuen Wettbewerbern aus Asien gehöre der Fachkräftemangel zu den großen Herausforderungen der kommenden Jahre.

Mitarbeit: Tobias Kaiser

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema